1869 eröffnete Johann Evangelist Wagner im ehemaligen Schloss der Grafen Fugger von Glött eine Einrichtung für Mädchen und Frauen mit geistiger Behinderung. Dies war seine zweite Gründung – und zugleich seine erste, die die Versorgung und Pflege von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zum Ziel hatte. Überhaupt war Glött eine der frühesten Institutionen für Menschen mit geistiger Behinderung in Bayern.
zwischen 1550 und 1560
Das Schloss der Grafen Fugger von Glött wird von Graf Anton Fugger (1493–1560) erbaut.
1869
Die Einrichtung für Mädchen und Frauen mit geistiger Behinderung wird im Beisein von Vertretern von Staat und Kirche am 13. September eröffnet. Elf „Pfleglinge“ (andere Berichte sprechen von zehn Personen) und fünf Franziskanerinnen bezogen das Haus.
Sr. M. Hildegard (Taufname: Bertha) Fugger (1830–1887), eine Tochter des letzten adeligen Besitzers Fidel Ferdinand Fugger von Glött, wird Oberin der Einrichtung. Obwohl ihr eigenes Leben nicht frei von Entbehrungen und Sorgen war, galt ihre liebevolle Fürsorge uneingeschränkt den ihr anvertrauten behinderten Mädchen und Frauen.
Wagner wollte keine ungegliederte „Verwahranstalt“, sondern eine Stätte, in der die „Pfleglinge“ eine gezielte, ihren Fähigkeiten entsprechende Förderung erhielten. Dazu unterteilte er die Einrichtung in drei Bereiche mit unterschiedlichen Zielsetzungen:
1886
Im September, also kurz vor dem Tod Wagners, wächst die Zahl der „Pfleglinge“ von anfänglich elf (bzw. zehn) auf 97, die von zehn Klosterfrauen, drei Kandidatinnen und zwei weltlichen Helferinnen betreut werden. Durch die schnell steigende Belegung der Einrichtung zeigt sich der Erfolg seines Konzepts.
Das Konzept: Alle drei Abteilungen verfolgen neben ihren Hauptzielen Bildung, Beschäftigung und Pflege immer auch den Anspruch den „Pfleglingen“ im geordneten Umfeld der Einrichtung eine Eigenständigkeit und Lebensqualität zu ermöglichen, die sie außerhalb nicht hätten erreichen können.
1889
Alle Bewohner ziehen am 30. Juli von Glött nach Lautrach um, da die Belegung der Einrichtung in Glött weiter schnell anstieg, so dass das ehemalige Fuggerschloss bald keinen Platz mehr für Neuaufnahmen bot.
Infolge des Umzugs wurde die Stiftung Glött auf die Einrichtung Lautrach übertragen. Die Gebäude und Grundstücke in Glött gingen dagegen ins Eigentum der Stiftung Dillingen. Die Glötter Einrichtung wurde so eine rechtlich abhängige Außenstelle von Dillingen.
Um den eigenen Platzmangel zu reduzieren, nutzt die Dillinger Einrichtung Glött als Heim für alte und pflegebedürftige gehörlose Frauen. Auch Frauen mit anderen Behinderungen können Aufnahme finden, besonders wenn diese Beeinträchtigungen mit Gehörlosigkeit zusammenfallen.
Durch die veränderte Altersstruktur der Bewohnerinnen entfällt die Schulabteilung in Glött. Dafür verzeichnet die Beschäftigungsabteilung Zuwachs: Nach ihrem „Berufsleben“ in der „Taubstummenanstalt“ Dillingen halfen die gut ausgebildeten, handwerklich geschickten gehörlosen Frauen auch in Glött in vielen Bereichen gerne mit. Das frühere Schloss fand so wieder eine sinnvolle Verwendung.
1926
In einem Anbau am Landwirtschaftsgebäude wird eine Wohnung für die Ökonomieschwestern und bis zu zehn als Helferinnen eingesetzte „Pfleglinge“ eingerichtet. Diese Vorform einer „ausgelagerten Werkstattwohngruppe“ sorgte für kurze Wege in die Stallungen und vereinfachte so den Betrieb der Landwirtschaft.
1931 bis 1934
Die beiden Seitenflügel werden verlängert und ein verbindender Trakt dazwischen erstellt. Auch die Hauskapelle wird 1934 restauriert und erweitert. Zur Belegung des 1934 fertiggestellten Querflügels wurden Frauen mit leichteren psychischen Erkrankungen und solche mit geistiger Behinderung aufgenommen. Die ersten kamen auf Vermittlung des Direktors der Heil- und Pflegeanstalt Karthaus-Prüll aus Regensburg nach Glött.
zwischen 1932 und 1935
Der Nordwest- und Nordostflügel wird schrittweise saniert, die alte, vom Hausschwamm befallene Bausubstanz ausgetauscht und Teile des Daches repariert oder erneuert.
1950er
Die „Versorgungs- und Pflege-Anstalt“ ist mit bis zu 160 Frauen mit Behinderung zeitweise überbelegt.
1960er
Der beginnende Schwesternmangel bei den Dillinger Franziskanerinnen beeinflusst die Situation in Glött: Infolge rückläufiger Neueintritte sank die Zahl der Ordensfrauen, während ihr Durchschnittsalter stieg. Trotz steigender Arbeitsbelastung setzten die Schwestern unermüdlich ihre Tätigkeit in der Einrichtung fort. Dabei trafen sie immer wieder richtungsweisende Entscheidungen, die die weitere Entwicklung des Hauses prägten und seine Zukunftsfähigkeit sicherten. Erst nach und nach kamen nichtklösterliche Hilfs- und Fachkräfte in die Einrichtung und entlasteten die Schwestern.
Kleinere und flexiblere Strukturen werden geschaffen. Dazu wurden die bisherigen Großgruppen von 40–50 Personen in kleinere Gruppen aufgeteilt, die eine individuellere und effektivere Betreuung ermöglichten.
1979–1983
Die beiden Längsflügel werden bis zu den bestehenden Türmen im Südosten verlängert, aufgrund des steigenden Platzbedarfs und der wachsenden fachlichen Anforderungen an die Räume durch die Aufteilung der bisherigen Schlafsäle in Räume für zwei, vier oder sechs Personen.
1989
Männer mit schwerer Behinderung werden aufgenommen, welches eine bedeutende Entwicklung ist.
1989 bis 1999
Die Einrichtung trägt den Namen „Hildegardheim“ im Gedenken an Sr. M. Hildegard.
2007
Für Menschen mit einem höheren Bedarf an Unterstützung wird ein Wohnpflegeheim, zum Teil mit therapeutischen Wohngruppen, gebaut.
2004 bis 2010
Das Modernisierungskonzept „Wohnen im Schloss“ zur Schaffung individueller Angebote wird umgesetzt. Das Schlossgebäude wird dabei organisatorisch in drei „Häuser“ mit insgesamt acht Wohngruppen gegliedert. Die so entstandenen Wohnräume – überwiegend Einzelzimmer – und die Gemeinschaftsbereiche sind barrierefrei und den individuellen Bedürfnissen entsprechend ausgestattet.
2010 bis 2013
Ergänzende Maßnahmen im Außenbereich werden ausgeführt. Dazu zählen die Neugestaltung des Wegnetzes, die Öffnung des Geländes nach außen und die Anlage des „Platzes der Begegnung“ als inklusiver Treffpunkt für die Menschen der Einrichtung und der Gemeinde Glött.
Der Abschluss der Arbeiten wurde 2013 mit dem dreitägigen „Fest der Begegnung“ gefeiert.
2022
Eröffnung der neuerrichteten TENE.
Baubeginn des Wohnheims für Menschen mit Behinderung mit angegliederter Förderstätte in Wertingen.